Der Schultheiß
Der Schultheiß war nicht vom Vertrauen der Einwohner abhängig. Er wurde von der jeweiligen Herrschaft, also z. B. dem Abt des Klosters Gottesaue oder später vom Markgrafen ernannt. Er war Mittelsmann zwischen Herrschaft und Dorfgemeinschaft. Der Begriff stammt vom Wort "heischen" (= einfordern, verlangen). Schon vom Namen her ergibt sich also seine Funktion: Einforderung der obrigkeitsstaatlichen Verpflichtungen.
Dazu gehörte auch die Berechnung und Einziehung des Getreide-Zehnten je nach Besitz und Vermögen des Einzelnen und auch die Erhebung der "Beeth-Abgaben", einer Art Grundsteuern für staatliche Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Später mußte "für jede Herdstelle" ein Huhn im Frühjahr und ein gemästeter Hahn im Spätjahr abgegeben werden.
Der Schultheiß war auch für die Verteilung der Frondienste an die Gemeindemitglieder verantwortlich. Man unterschied zwischen "Herrenfronden", "Rheinfronden", "Wegefronden" und "Gemeindefronden".
Aufgabe des Schultheiß war auch, als Vorsitzender des aus 7 Männern bestehenden Ortsgerichts zu fungieren. Dieses Gericht hatte über Holz- und Felddiebstähle, übliche Nachreden oder Beleidigungen oder Verweigerung der Frondienste zu richten. Bestraft wurden auch Wirtshaussitzen während des Gottesdienstes, Ohrfeigen, Faustschläge, Drohungen mit dem Messer und geringe Körperverletzungen. Zur Aufklärung und Aburteilungen hatte der Schultheiß polizeiähnliche Kompetenzen. Für Raub, Brandstiftung etc. war das Oberamt in Mühlburg zuständig.
Der Schultheiß war auch Vorsitzender des ebenfalls aus 7 Männern bestehenden "Rates".
Neben dem Schultheiß gab es untergeordnet den "Bürgermeister", der für die Rechnungsführung der Gemeinde verantwortlich war, sowie den "Gerichtsschreiber". Dieses Amt wurde in der Regel dem Schulmeister als dessen Nebenamt übertragen. Der "Ortsbüttel" hatte die Leute auf das Rathaus zu bestellen (Vollzugsfunktion) und Anweisungen des Rates und des Ortsvorgesetzten mündlich zu übermitteln (Übermittlungsfunktion). Allgemeine Verordnungen wurden vom Schultheiß am Sonntag nach dem Gottesdienst auf dem zentralen Platz vor der Kirche bekanntgemacht. Im Gemeindedienst waren beispielsweise in Eckenstein der Nachtwächter mit Laterne, Horn und Amtsspieß, vier Hirten, die Feld- und Waldschützen und der Totengräber.
Der Ortsvogt
Ab 1803/1809 trat an die Stelle des Schultheiß der Ortsvogt.
Der Bürgermeister
Durch Beschluß des badischen Landags von 1831 wurden als neue Gemeindeorgane der Bürgermeister, der Gemeinderat und der Bürgerausschuß bestimmt. Alle drei Organe wurden für 6 Jahre gewählt. Die Wertung der Stimmabgabe erfolgte nach dem Dreiklassenwahlrecht, das eine unterschiedliche Gewichtung der Wahlstimmen von Reichen, weniger Wohlhabenden und armen Bürgern vorsah.
In kleineren Gemeinden war der Posten des Bürgermeisters ehrenamtlich besetzt. Er wurde durch Gemeinderat und Bürgerausschuß gewählt. Aus dem früheren Gerichtsschreiber wurde 1844 der Ratschreiber.
Der Gemeinderat
Der Gemeinderat tagte unter dem Vorsitz des Bürgermeisters und bestand in Leopoldshafen zunächst aus 4 Personen. Ab 1835 wurden die Gemeinderäte nicht mehr gewählt, sondern ernannt. Er beriet und stimmte über alle Gemeindeangelegenheiten ab.
Der Bürgerausschuß
Der Bürgerausschuß wurde durch den badischen Landtag 1831 eingeführt. Er war gleichsam das Ortsparlament der Gemeinde. Er bestand aus dem "Engeren Bürgerausschuß" mit 5 Personen und dem "Großen Bürgerausschuß", der 28 Mitglieder hatte. Seine Amtszeit dauerte 6 Jahre, wobei alle 3 Jahre die Hälfte neu gewählt wurde. Er hatte allerdings nur das Recht, den Gemeindehaushalt einzusehen und hierzu Anträge zu stellen. Es war ihm nicht möglich, über diese Anträge selbst zu entscheiden.
Erst 1918 wurde das nach dem privaten Vermögen des Wahlberechtigten gestaffelte Drei-Klassen-Wahlrecht zum Bürgerausschuß beseitigt - ab diesem Zeitpunkt hatten alle Bürger die gleichen Stimmrechte bei den Wahlen. Frauen sind erst seit 1918 wahlberechtigt.
Im Dritten Reich wurde von der NSDAP der Bürgermeister eingesetzt. Dieser berief sich "seine Räte". Der Bürgerausschuß wurde beseitigt.
Vom sozialen Leben der Männer in der Gemeinde
Das Leben in der Gemeinde war eine reine Männerwelt. Frauen waren weitgehend rechtlos und spielten im Gemeindeleben keine Rolle. Das Leben war starken Beschränkungen unterworfen. Freizügigkeit, freie Berufswahl, soziale Absicherung, Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche Rechten und Pflichten gab es nicht. Die Rechte waren an das Vermögen gebunden (z. B. Drei-Klassen-Wahlrecht).
Bürger, Beisasse oder Leibeigener
Im 18. Jahrhundert gab rechtlich gesehen den Bürger, den Beisasse und bis zur Abschaffung der Leibeigenschaft in Baden die Leibeigenen. Einwohner jüdischen Glaubens hatten einen Sonderstatus mit minderen Rechten und vielen Pflichten. Diejenigen, die keinen Geburtsort nachweisen konnten, konnten kein Bürger- und damit auch Wahlrecht erhalten.
Das Bürgerrecht
Nicht jeder Bewohner der Gemeinde war auch Bürger - so duften sich nur diejenigen nennen, die das Bürgerrecht besaßen. Ortsfremde Inländer konnten in Leopoldshafen 1852 das Bürgerrecht für 20 Gulden und 21 Kreuzer zu erwerben. Nicht jeder männliche Nachkomme eines Bürgers war automatisch Bürger. Das Recht wurde nicht vererbt. Man nannte sie "Bürgersöhne"; sie hatten das Recht, ebenfalls einen Antrag zu stellen, Bürger werden zu dürfen. "Bügertöchter" gab es nicht. Sie waren weitgehend rechtlos. Das Bürgerrecht war notwendig, wenn man ein wichtiges Gemeindeamt übernehmen, einen eigenen Handwerksbetrieb eröffnen oder größere Immobilien erwerben wollte. Auch wenn man Bürgerholz erhalten oder am Allmend teilhaben wollte, war das Bürgerrecht wichtige Voraussetzung.
Berufswahl
Freie Berufswahl nach Neigung und Können gab es nicht. Die Handwerker waren streng in Zünften organisiert und hatten strenge Zugangsregelungen. 1852 waren die Handwerker von Leopoldshafen zur Zunft in Linkenheim organisiert.
Politisches Wahlrecht
Das Wahlrecht war nur den Männern vorbehalten, Frauen wurden erst 1918 wahlberechtigt. Es galt generell das Dreiklassenwahlrecht je nach Vermögenslage und Status.
Das Wahlrecht für den Landtag wurde besonders streng ausgelegt. Es war nur den Männer ab 25 Jahren gestattet. Das Wahlrecht war an ein Mindestvermögen bzw. ein Mindeststeueraufkommen gebunden (Jahresverdienst von 1.500 Gulden, zu versteuerndes Einkommen von 10.000 Gulden. Wählbar (= passives Wahlrecht) waren nur Personen mit einem Mindestalter von 30 Jahren, mit ev. oder kath. Konfession und bei Nachweis eines Vermögens von 10.000 Gulden oder 1.500 Gulden Jahreseinkommen.
Nicht wahlberechtigt waren: Frauen und Angehörige des 4. Standes (Wandersleute, Arbeiter, Landarbeiter, Knechte, Mägde, Taglöhner, Juden).
Die Rolle der Landfrauen
Stellung der Frau in der Dorfgemeinschaft
Das Leben war schwer, entbehrungsreich und freudlos. In der dörflichen Gemeinschaft hatten sie keine nennenswerten Rechte. Sie waren "Menschen zweiter Klasse". Frauen durften weder wählen, noch gewählt werden. Auf den Schulbesuch der Mädchen wurde oft verzichtet. Dokumente wurden von ihnen mit drei Kreuzen unterschrieben. Ablenkung hatten die Frauen kaum. Vereine gab es nicht. Bei Zunftveranstaltungen durften Frauen nicht zugegen sein. Wirtshausbesuch war für Frauen "unschicklich". Ehefrauen wurden oft "mit Schlägen erzogen" (Originalton).
Heiratserlaubnis
Heiratserlaubnis erhielten nur diejenigen, die Bürger oder Beisasse waren.
Moralvorstellungen
Unehelicher Beischlaf mußte staatlich untersucht und bestraft werden, auch wenn die Ehe später vollzogen wurde. Wilde Ehen waren nicht erlaubt. Uneheliche Kinder waren im Leben chancenlos. Die Angst junger lediger Mütter vor Entdeckung führte zur Aussetzung der Säuglinge oder gar zu Kindesmord. Abtreibung wurde mit Zuchthaus bestraft. Empfängnisverhütung war unbekannt. 12malige Mutter zu werden war nicht selten. Das Kindbettfieber führte bis zur Entdeckung des Erregers durch den Arzt Semmelweis im 19. Jh. regelmäßig zum Tode.
Arbeitsverhältnisse
Auf dem Feld und im Stall galten die Frauen als unverzichtbare Arbeitskräfte. Gleichzeitig hatten sie besonders schwere Hausarbeit zu verrichten. Das Wäschewaschen war mühselig und wenig effizient. Man hatte nur Pottasche zur Verfügung. Zum morgendlichen Feuermachen mußten mit Stahl und Stein Funken geschlagen werden, bis der Zunder glühte. Mit der Zunderglut entfachte man trockene Späne. Die Zeiten der Gottesdienste waren für viele die einzigen Stunden der Ruhe und Erholung, der Besinnung und des Trostes.
Kindersterblichkeit
Die Kindersterblichkeit war hoch. Etwa 55% aller lebend geborener Kinder starben in den ländlichen Familien, bevor sie das 10. Lebensjahr erreicht hatten.
Das Alter
Es gab keine Altersversorgung. Kinder waren für die Ehepaare die Altersicherung. Die Masse der Alleinstehenden aufgrund des Heiratsverbots war auf Almosen angewiesen.
Erstellt von: Jürgen Haase
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