Die Auswanderungsgenehmigung
Der Antrag mußte über die Gemeindebehörde an das Bezirksamt (= Landratsamt) gestellt werden. Der Bürgermeister hatte zuvor nach Artikel 16 des Gesetzes von 1803 die "rechtlichen Folgen der Auswanderung" zur prüfen. Bei dieser Gelegenheit mußten auch die Beweggründe und das Ziel der Reise erfragt werden. Junge Männer, die noch kontributionspflichtig waren, mußten ihre Freistellung vom Militärdienst über das Bürgermeisteramt beantragen. Es mußte ein Finanzierungsplan für die Reise vorgelegt werden. Daraufhin hatte der Bürgermeister in Karlsruher Zeitungen und im Anzeigenblatt für den Mittelrheinkreis die Auswanderungsabsicht der Antragsteller bekanntzumachen, im Ort erfolgte dies per Aushang am Rathaus. Für die möglichen Gläubiger der Auswanderer mußte in dieser Anzeige ein Termin zur Schuldenliquidation anberaumt werden. Manche Auswanderung scheiterte daran, daß es nicht gelang, die Gläubiger zum Verzicht zu bewegen. Meist sprang am Ende noch die Gemeinde ein, um die Schuldner loszuwerden.
Vom Bezirksamt wurde vor allem geprüft, ob der Auswanderungswillige schon seiner Wehrpflicht nachgekommen war und ob sich der Auswanderungswillige der Strafverfolgung entziehen wollte. Für die Ausreise nach Rußland und in die französischen Kolonien mußte dem Bezirksamt einen Aufnahmebestätigung des jeweiligen Konsulats vorgelegt werden.
Die illegale Auswanderung war nach damaligen Schätzungen genauso hoch wie die legale. Dies war insbesondere nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 der Fall. So floh z.B. auch Friedrich Hecker in die USA und wurde dort zum angesehenen Bürger. Aus der Festung Rastatt entkommen ist auch Karl Schurz. Er wanderte illegal aus. In den USA wurde er in den 80er Jahren Innenminister. Bei ungenehmigten Ausreisen wurde das zurückgelassene Vermögen beschlagnahmt.
Die Auswanderung und die Rolle des Staates
Nicht nur arme Bevölkerungsschichten wanderten aus. Fehlende Gewerbefreiheit und bürokratische Gängelung in der alten Heimat und rosige Zukunftsaussichten lockten viele tüchtige, strebsame und angesehene Bürger, Bauern und Handwerker in die neue Heimat. Die Summe der ausgeführten Vermögen war groß. Das entzogene Geldvolumen verschlechterte die wirtschaftliche Situation der heimischen Region.
Die Organisation der Auswanderung lag in den Händen von Werbern, die von Dorf zu Dorf zogen. Dies galt besonders für Ziele in Rußland und dem französische Nordafrika. Für Amerika gab es damals in allen größere Städten Agenturen, bei denen man die Überfahrt buchen konnte. Was aus den Auswanderern wurde, ist schwer zu sagen. Wer drüben erfolgreich war, blieb drüben, wer strauchelte, der brachte auch nicht mehr das Geld für die Rückfahrt zusammen.
Für die Amerikaauswanderer war die Anreise zum Überseehafen Antwerpen, Le Havre oder Bremen beschwerlich. Sie erfolgte auf dem Schiffsweg, per Kutsche bzw. später per Eisenbahn. Anlegehäfen in Amerika waren im 18ten Jahrhundert ausschließlich Philadelphia, im 19ten Jahrhundert New York und New Orleans.
Im 18. Jahrhundert war die Auswanderung geduldet, aber nicht gefördert. Der Markgraf gab das Vermögen des Ausreisewilligen nur teilweise zur Mitnahme frei.
Bis 1760 war die badische Regierung überwiegend daran interessiert, von den Auswanderern Erlaßgebühren zu kassieren und größere Vermögen im Land zu behalten. Später versuchte man, die Auswanderer von ihrem Vorhaben abzuhalten, trug ihnen Schauerberichte über das Schicksal von Auswanderern vor und griff schließlich sogar zum Mittel des Verbots. Das Reichsgesetz von 1768 stellte Auswanderung sogar unter Strafe.
Die Einstellung des Staates zu den Auswanderern änderte sich in den Zeiten der Überbevölkerung. Nun wurde die Auswanderung sogar von staatlicher Seite gefördert. Da man zur Auswanderung Kapital benötigte, legten viele Gemeinden eine besondere Kasse an, die den Auswanderungswilligen das Kapital "vorstreckte". Es wurde verrechnet mit dem "Allmend-Anspruch" und dem "Bürgernutzen" des Auswanderers.
Als den Gemeinden klar wurde, daß ihnen durch die Auswanderung der Wohlhabenden schließlich nur die Armen verblieben bei gleichzeitigem Verlust von Abgaben der Besserverdienenden, versuchten die Gemeinden, durch gezielte einmalige Reisekostenbeihilfe die Armen zur Ausreise zu bewegen, um sich künftiger sozialer Kosten zu entledigen. Der Staat begnadigte aus diesem Grund vorzeitig auch Kriminelle und zwang sie zur Auswanderung. Auch in Neureut wurde diese Praxis aktenkundig.
Auf diese Weise entledigten sich die Gemeinden auch unerwünschter weiblicher Personen, z.B. unehelicher Mütter mit Kindern. Auch unliebsame und sozial schwierige Personen, wie z. B. Straffällige, Herumtreiber, Dirnen, Sonderlinge und Trinker wurden auf diese Weise abgeschoben.
Auswanderung in Baden
Die ersten Auswanderer von Schroeckh gingen 1790 nach Ungarn. Gegen 1810 war das bevorzugte Ziel Rußland, das schon seit der Zarin Katharina II (1762-96) systematisch die Einwanderung von Deutschen förderte. Aus Schroeckh wanderte in dieser Zeit niemand aus.
Erste Auswanderungswelle 1817-1860:
Das Hungerjahr 1817 veranlaßte viele Menschen zur Auswanderung ins Banat. In ganz Baden herrschten Hungersnot, Teuerung und schlechte Lebensbedingungen. Nach dem Niedergang des Hafens gegen 1846 fiel für viele Einwohner die Lebensgrundlage weg.
Zweite Auswanderungswelle 1880-1910:
Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren in dieser Zeit immer noch sehr bescheiden. Perspektivlosigkeit, wachsende Einwohnerzahlen und die beginnende Industrialisierung ließen die eigene Zukunft noch trüber erscheinen. Je schwerer die Zeiten, desto mehr klammerte man sich an die Versprechungen der Werber, die Arbeit und Wohlstand versprachen.
Besonders das "Wunderland Amerika" löste ein "Amerikafieber" aus, dem sich auch viele in Eggenstein und Leopoldshafen nicht entziehen konnten. Nach Brasilien wanderten trotz der freien Schiffsreise nur 2 Familien aus Leopoldshafen aus.
Dritte Auswanderungswelle ab 1918:
Das Bleiben in der Heimat versprach immer noch kein menschenwürdiges Auskommen. Bevorzugtes Ziel war immer noch Amerika.
Erstellt von: Jürgen Haase
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